„Du hast doch gar nicht so viel getrunken?!“

„Du hast doch gar nicht so viel getrunken?!“

Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz gehört habe als ich meinem Umfeld erzählte, ich würde eine stationäre Alkoholentwöhnung machen. Alle wussten natürlich, dass ich gerne trinke und auch schon mal zur Mittagsstunde den Sektkorken knallen ließ. Aber eine Entwöhnung? War ich etwa eine Alkoholikerin?

Die Gesellschaft und das Trinken

Um diese Reaktion zu erklären, sollte man zunächst einen Blick auf unsere alkoholintensive Gesellschaft werfen. Von Kleinauf werden wir damit vertraut, dass es völlig in Ordnung ist, alkoholische Getränke zu sich zu nehmen (man könnte auch sagen wir dürfen alle offiziell eine Droge zu uns nehmen). Bei jeder Geburtstagsfeier, jeder Party, bei jedem Anlass im Büro, schönem Wetter im Garten, tollem Essen, Urlaub, und auch mal der Genuss für sich allein – immer ist Alkohol präsent und respektiert und es wird sogar von uns erwartet. Noch immer überschwemmt uns die Werbung mit all den vermeintlich positiven Gefühlen, die wir mit dem Trinken verbinden sollen.

 

Wir dürfen auch mal betrunken sein und vor uns hin lallen. Dann sind wir unterhaltsam und lustig für andere. Es gibt nur ein paar gesellschaftliche Einschränkungen, die uns aber nicht davon abhalten, süchtig zu werden: Ein Pikkolöchen bei den Frauen, ein paar Bier bei den Männern, auch Wein ist gern gesehen, besonders wenn es ein „guter“ ist. Erst wenn wir beim Nachmittagskäffchen die Wodkaflasche rausholen würden, hätten wir ein sichtbares Problem. Das passt dann nicht mehr zum guten Benehmen.

Wir erzeugen zwei Irritationen

Trinken ist also gesellschaftlich erlaubter und auch erwünschter Drogenkonsum. Wir sind alle so stark darauf konditioniert Alkoholkonsum als normal wahrzunehmen, dass es merkwürdig erscheint, wenn wir plötzlich nüchtern bleiben wollen. Und es passieren zwei Dinge, wenn wir es unserem Gegenüber aussprechen:

#Wir werden abgeglichen mit dem Bild, das man selber von einem Alkoholiker abgespeichert hat.

Ich z.B. hatte immer den Obdachlosen vor meinem inneren Auge, der verwahrlost auf der Parkbank schläft. Ich selbst bin jeden Morgen ins Büro gefahren, habe mich vorher hübsch angezogen und geschminkt. Alles war schick. Nach außen hat man es mir also nicht angesehen. Ich habe super funktioniert und auch im Freizeitbereich bin ich nicht plötzlich irgendwo aufgewacht, ohne zu wissen wie ich dorthin gekommen bin und ich habe auch nie auf einer Parkbank übernachtet. Trotzdem hatte ich ein Problem mit Alkohol. Ich habe zum Schluss jeden Abend eine Flasche Rotwein getrunken, und wenn mal etwas Besonderes anlag, auch mal mehr.

#Wir sind wie ein innerer Spiegel für den anderen.

Wenn ich Menschen erzähle, dass ich „trockene Alkoholikerin“ bin (eine Bezeichnung die ich nur verwende, wenn ich provozieren will, doch dazu ein andermal mehr), finde ich mich einem Schwall von Rechtfertigungen gegenüber: „Na ich trinke ja nicht so viel, nur wenn……“. „Ich habe kein Problem mit Alkohol. Ich trinke ja kaum was, oder nur wenn …“. Oder: „Ich trinke ja nur Wein, nichts Hartes, ich muss nicht jeden Tag, ich kann auch mal Wochenlang gar nichts trinken“ usw. usw. Kommt Dir das bekannt vor?

An dieser Stelle helfen vielleicht ein paar Zahlen und Fakten zum Alkoholkonsum der Deutschen weiter

Der Alkoholkonsum ist in Deutschland weit verbreitet: Im Jahr 2021 tranken mehr als zwei Drittel der Erwachsenen Alkohol; Männer trinken vor allem Bier, Frauen in erster Linie Wein und Sekt. Geht man nach der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, so liegt ein nicht gesundheitsschädlicher Alkoholkonsum dann vor, wenn

 

  •  an mindestens zwei Tagen pro Woche kein Alkohol getrunken wird.
  • Frauen nicht mehr als 12 Gramm Alkohol pro Tag trinken, also nicht mehr als ein kleines Glas Wein (0,125 Liter).
  • Männer nicht mehr als 24 Gramm Alkohol pro Tag trinken, also zwei kleine Gläser Bier (0,6 Liter).

Das bedeutet also, ich hätte an fünf Tagen in der Woche ein halbes Glas Rotwein trinken dürfen, um kein Problem mit Alkohol zu bekommen. Hat bei mir leider nicht funktioniert. Aber weiter mit den Zahlen.

 

Rund 16 Prozent der erwachsenen Männer und 11 Prozent der erwachsenen Frauen konsumieren wöchentlich riskante Mengen Alkohol. Doch was bedeutet es, ein riskantes Alkoholverhalten zu haben? Wenn Du mehr als Dein halbes Glas Rotwein an fünf Tagen in der Woche trinkst, sind auf Dauer physische, psychische und soziale Folgeschäden zu erwarten. Die Grenzen sind hier fließend und passieren in der Regel zunächst unbemerkt. Und riskant bedeutet an dieser Stelle auch: Du bist auf dem Weg, abhängig zu werden; entweder körperlich und/oder psychisch (was den weitaus größten Anteil einnimmt).

 

Quellen: Alkoholatlas Deutschland 2022

Habe ich ein riskantes Trinkverhalten?

Und wer es nun selber wissen will, kann gerne einen der kostenlosen Tests im Internet machen und sein Trinkverhalten einordnen:

 

Alkohol-Selbsttest
https://www.kenn-dein-limit.de/alkohol-tests/alkohol-selbsttest/

 

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