„Wir hätten da gerne noch einen Sozialbericht, bevor wir Ihnen eine Reha bewilligen“. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, was das ist. Es war schnell gegoogelt. Ich sollte eine Suchtberatungsstelle aufsuchen um zu klären, welche Art von Reha ich wohl zunächst bräuchte.
Was folgte, waren 15 Wochen Entwöhnung, ein langsames wieder bei mir ankommen und drei wichtige Entscheidungen, die mein Leben verändern sollten.
Doch zurück zum Anfang!
Die Arbeit hat in meinem Leben immer eine große Rolle gespielt. Ich arbeite gerne und viel. Spätestens als ich Alleinerziehende von zwei Mädchen wurde, war Arbeit für mich auch etwas Existenzielles. Ich musste dafür sorgen, dass jetzt und auch später genug Geld da war. Das bedeutete auch: Ich musste funktionieren! Also habe ich viel gearbeitet und den Alltag mit Kindern, Haushalt, Freunden, Eltern und einiges mehr gut hinbekommen – zumindest nach außen.
Die Alkoholfalle
Gesellschaftlich völlig anerkannt und überall vorhanden habe ich mir am Abend ein Gläschen Wein gegönnt, so als Entspannung und manchmal auch zum Stressabbau. Irgendwann war es dann eine ganze Flasche jeden Tag. Und irgendwann ging es in der Freizeit nur noch darum, wann ich wo in Ruhe meinen Wein konsumieren konnte. Ohne Sichtbarkeit nach außen. Denn das hätte Kritik bedeutet und ich wollte ja selber entscheiden, was ich mache, wie viel ich trinke und außerdem war ich ja gar keine Alkoholikerin, denn ich funktionierte super. Dachte ich zumindest.
Eine schlechte Mischung
Dass die Mischung aus „Funktionieren wollen“ und ungesundem Alkoholkonsum auf Dauer nicht gut für mich war, zeigte sich an den Folgen: Ich wurde krank. Erst ein Burnout, dann die Depression und dann auch noch eine Schmerzerkrankung.
Als der Reha-Bescheid kam mit der Bewilligung, 15 Wochen in eine Entwöhnungs-Klinik zu gehen, wusste ich sofort instinktiv, dass dies meine Rettung sein könnte. Heute sehe ich es als großes Geschenk. Die Reha gab mir Raum und Zeit, wieder zu mir zu finden, mich ganz neu zu spüren und darüber nachzudenken, was meine nächsten Schritte sein würden – was mir wirklich, wirklich gut tun würde. Und ich traf drei wichtige Entscheidungen:
1. Ich hörte auf, dass die Existenzangst meinen Lebenslauf bestimmte und verabschiedete mich von meiner damaligen Festanstellung (was ein Glück für mich war, denn lange Krankheitszeiten führen ja bekanntermaßen auch gerne zu Kündigungen).
2. Ich zog von der Stadt aufs Land, um hier mehr Ruhe zu finden (und Natur, und einen eigenen Garten, und und und).
3. Ich entschied mich, beruflich endlich meinen lang ersehnten Traum umzusetzen, den ich bis dahin aufgrund von 1. nie verwirklicht hatte: Ich setzte meine Leidenschaft um, Menschen in ihren Fragen und Problemen zu begleiten und machte eine Ausbildung zur Coachin.